Mastodon vs. Bluesky
X-Alternative
Mastodon Erfahrungen
Viele Marketer*innen haben es längst erkannt: Die Plattform X verliert ihren Reiz. Was einst digitale Debattenkultur, Echtzeit-News und virale Höhenflüge versprach, büßt zunehmend an Attraktivität ein und durchläuft derzeit tiefgreifende, teils umstrittene Veränderungen.
Kein Wunder also, dass sich Unternehmen samt Budgets langsam, aber sicher verabschieden. Für Content-Schaffende ist das mehr als nur nostalgisch tragisch. Denn selbst die durchdachteste Content-Strategie bringt wenig, wenn die dazugehörigen Inhalte auf Social Media untergehen oder dort gar nicht erst ankommen.
Die große Frage, die uns aber bleibt lautet: Wenn nicht X, was dann?
Mastodon: der urige Klassiker
Mastodon ist kein Neuankömmling. Seit 2016 verfolgt das Open-Source-Netzwerk die klare Mission, soziale Medien zu demokratisieren. Mit derzeit 15,5 Millionen Accounts ist die Plattform zwar kleiner als ihre zentralisierten Pendants, dafür aber Teil des größeren Fediverse, einem Netzwerk aus über 150 dezentralen Diensten.
Bluesky: die Alternative
Bluesky, 2021 gegründet, wirkt auf den ersten Blick wie ein stylischer Klon der Plattform X und das mit Absicht. Jack Dorsey, Mitgründer von Twitter, hat seine Finger im Spiel, was man an der vertrauten Oberfläche und der cleveren Nutzerführung merkt. Die Plattform boomt langsam aber dafür stetig: 25 Millionen Nutzer*innen Ende 2024, davon 5 Mio. innerhalb eines Monats allein.
Mastodon und Bluesky schlagen technisch und ideologisch ziemlich unterschiedliche Richtungen ein. Da stellt sich die Frage, mit welcher der beiden Plattformen Sie als Marketer*in sich beschäftigen sollten und was es dabei abzuwägen gilt. Wir haben das Ganze daher für Sie zusammengefasst.
Marketing ist datengetrieben, schnell und zielgruppengenau, zumindest im klassischen Social-Media-Kontext. Mastodon stellt hier eine Herausforderung dar: Es gibt keine zentralen Werbemöglichkeiten und keine Algorithmen zur Reichweitenoptimierung. Die sogenannten Toots erscheinen chronologisch. Das schafft Transparenz, kann aber die Reichweite einschränken, da virale Effekte seltener auftreten.
Dafür gibt es aber die Chance, gezielt mit Nischen-Communities zu interagieren. Auch die ARD hat sich mit tagesschau@ard.social auf Mastodon vorangetastet und das nicht aus PR-Spielerei, sondern um Erkenntnisse zu sammeln, die Facebook, Instagram oder X so nicht liefern. In Zukunft sollen diese dann in den Aufbau eigener digitaler Angebote innerhalb der ARD einfließen.
Die Moderation auf Mastodon erfolgt zudem community-basiert. Das heißt: Jede Instanz legt ihre eigenen Regeln fest. Das fördert einerseits Vielfalt, kann aber auch zu Unsicherheiten im Umgang mit kritischen Inhalten führen.
Die dezentrale Struktur der Plattform erschwert außerdem eine konsistente Markenkommunikation. Da es keine zentrale Sichtbarkeit gibt und viele kleinere Instanzen inaktiv oder nur schwach gepflegt sind, stoßen Nutzer*innen häufig auf veraltete oder kaum bespielte Feeds. Gezieltes Community-Building und Monitoring werden dadurch erschwert.
Mastodon eignet sich daher besser für kleine, engagierte Zielgruppen oder Nischenkommunikation als für groß angelegte, skalierbare Kampagnen.
Bluesky hingegen kommt dem vertrauten Social-Media-Erlebnis näher. Mit der algorithmischen "Discover"-Funktion bietet Bluesky eine Bühne für organisches Wachstum. Ähnlich wie bei TikTok oder X können Inhalte dadurch außerhalb der eigenen Followerschaft sichtbar werden.
Der Zugang zur Plattform ist zudem bewusst einfach gehalten, was den Einstieg erleichtert. Allerdings fehlen noch wesentliche Tools für Reporting, Kampagnensteuerung und Zielgruppenanalyse.
Bluesky ist daher momentan kein voll ausgereiftes Performance-Marketing-System, sondern vielmehr ein Experimentierfeld für organisches Wachstum und kreative Ansätze.
Ein großes Plus für Marketer*innen, die langfristig Content strategisch aufbauen wollen, ist die Möglichkeit, Inhalte plattformübergreifend über das AT Protocol zu verwalten und damit digitale Souveränität zu wahren.
Zudem trägt eine kostenpflichtige Identitätsverifizierung via Domainnamen-Dienst zur Glaubwürdigkeit von Accounts bei, was gerade beim Markenaufbau und der Vermeidung von Fake-Profilen hilfreich ist.
Aber auch hier gibt’s Grenzen: Die Moderation ist noch ausbaufähig, was für Marken mit hohem Reputationsanspruch ein Problem sein kann. Die Plattform ist außerdem aktuell nur via Invite-Code zugänglich. Das verleiht Exklusivität, kann aber den Reichweitenausbau bremsen.
Abseits von Konzepten und Funktionen zeigt sich im alltäglichen Umgang mit Mastodon, wie sich die Plattform, insbesondere für Kommunikations- und Marketingzwecke, tatsächlich nutzen lässt. Daraus ergibt sich folgendes Fazit:
Zur Kundengewinnung eignet sich eher Bluesky, Mastodon dagegen ist stärker auf den Austausch zwischen Menschen ausgelegt.
Unternehmen, die dort zum Beispiel aktiv sind, nutzen ihre Präsenz fast ausschließlich für Community Outreach und Öffentlichkeitsarbeit, also eher als Ort für gute Gespräche am digitalen Küchentisch, weniger im Sinne klassischer Vermarktung.
Beispiele wie 1Password oder Tailscale zeigen, dass Mastodon insbesondere bei technologieaffinen Zielgruppen Anklang findet. Dort funktionieren persönliche, dialogorientierte Kommunikationsformen besser als werbliche Botschaften. Und genau sowas funktioniert auf Mastodon, weil es zur Plattform passt, zur Haltung und zu den Menschen, die sie nutzen.
Der Einstieg bei Mastodon gilt als Hürde. Doch dieser Eindruck relativiert sich schnell, wenn man sich mit den Grundprinzipien des Netzwerks vertraut macht. Laut netzpolitik.org gibt es zahlreiche Ressourcen, die Nutzer*innen die Entscheidung erleichtern, etwa joinmastodon.org, fedi.garden oder fedi.tips. Und ein Serverwechsel ist im Nachhinein durchaus machbar, auch wenn manche Inhalte, wie ältere Posts, nicht immer vollständig migrierbar sind.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Inhalte auch ohne eigene Instanz über gängige Werkzeuge (wie etwa WordPress-Erweiterungen) im sogenannten Fediverse veröffentlicht werden können. Dadurch entsteht ein vergleichsweise niederschwelliger Zugang zur Plattform.
Auch bei Mehrsprachigkeit und Filteroptionen punktet Mastodon, da sich der Feed individuell nach Sprache, Inhalt und Relevanz anpassen lässt. Dieser Aspekt kann besonders bei mehrsprachigen Zielgruppen oder thematisch fokussierten Kampagnen von Nutzen sein.
Im Fall von Bluesky hingegen zeigt sich, dass der dezentrale Anspruch bisher noch weitgehend theoretisch bleibt. Derzeit existiert nur eine zentrale Instanz (bsky.app), was die angekündigte Struktur bislang nicht vollständig einlöst. Das Konzept hat Potenzial, ist aber, Stand jetzt, noch Marketing-Vision statt gelebter Struktur.
Zwischen den Zeilen zeigt sich: Auch wenn Mastodon durch seine geringere Nutzerzahl zunächst weniger attraktiv erscheint, bietet es eine stabile und zuverlässige Grundlage für langfristig orientierte Kommunikationsstrategien.
Mastodon und Bluesky bieten zwei unterschiedliche, aber gleichermaßen interessante Perspektiven für die Zukunft sozialer Netzwerke. Dennoch ist keine der beiden Plattformen aktuell der neue Alleskönner fürs Marketing. Beide überzeugen mit spannenden Möglichkeiten abseits klassischer Werbestrategien. Mastodon punktet mit Transparenz, Datenschutz und einem hohen Maß an digitaler Selbstbestimmung. Bluesky hingegen lockt mit wachsender Reichweite, vertrauter Nutzerführung und ersten Ansätzen algorithmischer Sichtbarkeit.
Für Marketer*innen heißt das: Wer kurzfristige KPIs und skalierbare Kampagnen sucht, wird auf beiden Plattformen (noch) nicht glücklich. Wer hingegen bereit ist, echten Austausch zu fördern und sich auf neue digitale Realitäten einzulassen, findet strategisches Potenzial.
Am Ende ist das Ganze eine strategische Frage
Der zusätzliche Aufwand für neue Accounts, Contentpflege und Community-Management ist derzeit schwer zu rechtfertigen, wenn bestehende Kanäle bereits effizient genutzt werden. Beide Plattformen stehen jedoch in vielerlei Hinsicht näher an Werten wie Datenschutz, Dezentralität und Nutzerorientierung als viele etablierte Dienste. Allein dieser Aspekt macht sie perspektivisch interessant. Ein Einstieg oder eine Portfolio-Erweiterung wird vor allem dann relevant, wenn die Reichweite im deutschsprachigen Raum deutlich zunimmt. Bis dahin bleibt es sinnvoll, die Entwicklungen aufmerksam zu beobachten und regelmäßig neu zu bewerten.
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